Sonnensegler.de

AND HER DANCING AND HER LAUGHING.

Wonder and beauty.

“Lomography is not an interference in your life, but part of it.”

In einer immer schneller werdenden Welt ist Festhalten immer ein dringender Wunsch der Generationen gewesen. Denn das Festhalten von Ereignissen, Momenten, Überresten, Personen, Gedanken, Worten und Orten, an denen wir diese Dinge erfahren haben, vermittelt ein wohliges Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, die Emotionen werden beim Erinnern daran belebt und der Erinnernde durchläuft einen Strudel von angenehmen, unangenehmen, humorvollen und ängstlichen, traurigen und nachdenklichen Empfindungen, die ihn an den Ort des Geschehens zurückversetzen und bereits Vergangenes wieder aktuell ins Gedächtnis rufen.

Diesem Leitprinzip folgt auch die Fotografie. Ein bisschen Chemie und Technik verbinden sich zu einem Foto, das wie durch Zauberhand den erlebten Moment auf Papier gebannt hat und ihn erneut erlebbar macht. Früher war es selbstverständlich, Filme entwickeln zu lassen und sie dann unter großer Anspannung mit der Familie oder den Freunden, Bekannten durchzusehen und die zugehörige Geschichte zu erzählen. Fotos brachten also Menschen zusammen, um das Erlebte mit anderen zu teilen, darin zu schwelgen.
Die Digitalisierung der Kameras hat zwar die Fotographie revolutioniert, doch das Entwickeln hat dem Online-Fotoalbum Platz gemacht, erstellt von einer Speicherkarte mit Daten. Nur noch selten betrachtet man die Bilder vor dem Bildschirm gemeinsam, verschickt eher E-Mails mit dem Link zum Album. Die ehemalige Anspannung beim Durchsehen der frisch entwickelten Bilder ist passé, da Vorschau- Displays auf den Kameras das schnelle Löschen und Wiederholen des Motivs ermöglichen.

Irgendwann stieß ich im Internet auf ein quadratisches Foto. In seinem Aussehen glich es so keinem üblichen digital geschossenen Bild; im Gegenteil schien es eher unperfekt zu sein, hatte überbelichtete Stellen und war teilweise unscharf, manche Gegenstände überschnitten sich, und es war nicht rechteckig! Das war das seltsamste Bild das ich je gesehen hatte, und gleichzeitig das kreativste. Ein unkorrigierbares, dem Zufall und den Lichtverhältnissen überlassenes Bild in unkonventioneller Form und mehrfach belichtbar? Genial!, dachte ich mir, und stieß auf die Lomographie.

Dabei handelt es sich um eine analoge Fototechnik mithilfe von Plastikkameras, die den technischen Vorgang des Fotografierens quasi aufschlüsselt indem sie jeden einzelnen Schritt und jede Darstellungsart abwandelt und es so dem Inhaber der Kamera ermöglicht, unkonventionelle Bilder zu schießen. Basteln an der Kamera ist ein Muss, denn nur so wird sie zu einem Original, es gibt Tools um sie auf- bzw abzuwerten, wobei beides eine Verbesserung der Resultate zur Folge haben kann. Die Regel lautet: keine Regeln. Alles ist erlaubt. 18c.jpgUnd wo Freiheit da auch höchste Kreativität. Von wegen nachbearbeiten im Photoshop: Man kann sich seine Effekte selber bauen, indem man die Kamera oder die Filme moduliert. Verwendet werden 120mm-Filme, die noch mehr Inhalt einschließen als Kleinbildfilme mit 35mm. Man wählt zwischen rechteckiger und quadratischer Lochmaske, färbt die Bilder mit vormontierten Farbfiltern ein, fotografiert Bild für Bild und dreht dazwischen an dem Rad manuell weiter, oder man dreht nicht und belichtet ein Bild mehrfach. Ein besonderes Highlight sind die light leaks, die durch die lose Bauweise der Kameras entstehen, da diese Licht von außen auf den eingelegten Film lässt, ein gewolltes Feature.

Und so kam es, dass ich zum Geburtstag eine Holga 120 CFN in den Händen hielt. Das Begleitbuch offenbarte eine Welt voller wunderbarer Möglichkeiten. Zuerst musste ich mich an die Tatsache gewöhnen, nicht gleich das Ergebnis des Bildes nachprüfen zu können. Mein beiden ersten entwickelten Filme zeugen teilweise von absoluter Langweile, teilweise sind aber auch grandiose Kunstwerke entstanden. Das Gefühl, womöglich gerade etwas originelles zu erschaffen, alleine durch das Auslösen der Kamera auf unterschiedliche Art und Weise, ist unbeschreibbar. Die Spannung beim Abholen der mit großer Sicherheit schwarzen oder überbelichteten Motive und das darauf folgende Entdecken von fotografischen Perlen ist jedesmal den Aufwand und das Geld wert, das dieses Hobby mit sich bringt.

Es gibt 10 Regeln, die die Lomographie für ihre Benutzer aufgestellt hat. Doch diese sind nur dazu da, um nochmal zu betonen, dass der Inhaber der Kamera alle Freiheiten besitzt- die Regel lautet: keine Regeln. Keine Konventionen. Kein Rahmen. Keine Verbote.

1. take your camera everywhere you go
2. use it any time – day and night
3. lomography is not an interference in your life, but part of it
4. try the shot from the hip
5. approach the objects of your lomographic desire as close as possible
6. don’t think (William Firebrace)
7. be fast
8. you don’t have to know beforehand what you captured on film
9. afterwards either
10. don’t worry about any rules

11.jpgWenn auch nicht so leicht wegzustecken weil etwas größer als normale Kameras (dafür aber superleicht) ist die Holga seitdem mein ständiger Begleiter. Zu oft stand ich vor “dem” Motiv und hatte sie vergessen mitzunehmen – das wird mir in Zukunft nicht mehr passieren. Ich muss sicher noch viel lernen, bzw ausprobieren, aber eines kann mir niemand mehr nehmen, was die Holga mir geschenkt hat: Die Liebe zum Papierfoto. Wenn alle Augen gespannt auf die entwickelten Fotos starren, hat man die Vernetzung der Menschen geschafft, und das ganz ohne Internetanschluss…

Eine Auswahl meiner lomographischen Kunstwerke findet ihr unter dem Menüpunkt “Photos” sowie bei Fotocommunity.

Mehr darüber findet ihr außerdem auf der offiziellen Lomographie-Seite.