Ich habe eben einen ganz tollen Bericht/Doku auf ZDFInfo gesehen, “Ein Stadtteil, zwei Welten – Sekt und Selters in ‘Mainhattan’ ” (Link). Darin ging es um ein Viertel in Frankfurt am Main, in dem der soziale Clash nicht größer sein könnte. Zum einen ist da da der moderne Neubau-Teil, wo etwas gut betuchte, meist Jüngere und Mitt-30er sich Wohnungsträume für stolze 2000 Euro/Monat für 100qm erfüllen können, zum anderen das ursprüngliche Wohnviertel mit seinen multikulturellen Bewohnern, lebhaft, mit allen sozialen Schichten, menschlich eben.
In dieser Doku wurde zum einen der Pfarrer des Ortes vorgestellt, der wie selbstverständlich seine Touren durch das Viertel macht, mit Menschen redet, ihnen zuhört, bei ihnen sogar klingelt, um sie im Stadtteil willkommen zu heißen, offen für neues auch regelmäßig die Moschee besucht und sich mit vielen unterschiedlichen Menschen austauscht, sich einfach für jeden und alles interessiert, der/das in seinem Stadtteil lebt.
Zum anderen wird das Neubau-Viertel vorgestellt, ein Einblick in Luxus-Wohnungen und die dort lebenden Menschen gegeben, eine Maklerin bei ihrer Arbeit begleitet.
Und dann ist da diese Autorin, die einen Krimi über das alte Westhafen-Viertel geschrieben hat und in Kontakt kommt mit einer jungen Frau aus dem Neubau-Viertel, ihr ihr buntes Viertel zeigt. Am Ende des Tages sind sich die beiden Frauen näher gekommen, die Dame aus dem reichen Viertel ist reicher an Erfahrung, hat die Menschen kennengelernt und zugleich ein wenig über die Geschichte des Stadtteils gelernt.
Was mich an dieser Geschichte besonders beeindruckt hat war der Pfarrer, der einfach offen auf die Menschen zugegangen ist und trotz des vielen Leids das er jeden Tag erfährt, wenn er sich mit den Menschen unterhält, weiterhin begeistert seine Arbeit macht und Brücken baut zwischen Generationen, sozialen Schichten, Kulturen. Für mich ist das wahre Religion, nämlich die, offen zu sein für alles.
Beim Anblick der beiden Seiten wurde mir (es war mal wieder Zeit) vor Augen gehalten, dass viele Dinge um mich herum ganz anders sein könnten, wenn man sich dafür einsetzt. Und dass ich doch eigentlich alles habe was ich brauche und vielleicht einfach mal ein bisschen genügsamer sein sollte.
Ich hab schon eine Weile das Bedürfnis, mich mal wieder zu engagieren. Ich habe ja mal ein FÖJ gemacht und während dieser Zeit unheimlich aktiv an Projekten im Bereich Naturschutz, Umweltbildung und Gemeinschaft mitgearbeitet. Ich hätte so etwas längst wieder aufgenommen, aber mir fehlt einfach die Zeit.
Jedenfalls wurde mir auch bewusst, wie toll ich es finden würde, wenn im Ort einer der Supermärkte durch einen türkischen Markt, wie es ihn im Nachbarort gibt, ausgetauscht werden würde, wenn es in meinem Ort mehr kulturelle Vielfalt gäbe. Wenn das Messdorfer Feld nicht weiter bebaut werden würde. Wenn einfach alles wieder mehr Individualität und Originalität bekommen würde. Als ich in Berlin war, hat mir das richtig gut gefallen, und zu dem Zeitpunkt wo ich dort war gab es die Brandanschläge auf Nobel-Viertel. Ich heiße diese Anschläge auf keinen Fall gut, weil ich glaube dass Gewalt und Kriminalität keine Lösung sind, aber ich verstehe bis heute die Hintergründe dieser Taten. In Berlin funktioniert das Miteinander der Menschen auf eine besondere Art und Weise, und indem der Spalt zwischen arm und reich immer größer wird, wird auch Stück für Stück diese Lebenskultur zerstört.
Was ich aus dieser Doku mitgenommen habe?
Dass nicht immer alles neu sein muss, und dass Neu nicht unbedingt besser heißt (das stimmt!). Dass eine gesunde Mischung aus alt, neu, arm, reich, Religion, Kultur für eine lebendige Stadt sorgt und die Menschen vernetzt. Dass gemeinschaftliche Projekte, z.B. Märkte und Feiern im Ort für ein besseres Miteinander und Verständnis für die anderen Mitbürger sorgen.
Was ich daraus jetzt umsetze?
Ich werde mal darüber nachdenken. Vielleicht verschwindet meine latente Traurigkeit ja, wenn ich mich mal wieder für etwas einsetze, das anderen gut tut und mir Spaß macht.
Dass ich vielleicht mal öfter im lokalen Buchladen kaufen sollte als beim Riesen Bouvier, weil der Laden bald vielleicht auch weg ist, wie so viele Geschäfte zur Zeit.
Dass ich ab und an im türkischen Markt im Nachbarort einkaufe, nicht nur, weil es günstiger ist, sondern, weil ich die Lebendigkeit in diesem Geschäft sehr mag.
Und, dass ich vielleicht meine aktuelle (Weihnachts-) wunschliste nochmal überdenke. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass ich neue Dinge haben möchte, weil sie mich glücklicher machen, oder effizienter arbeiten lassen.
Aber ich habe gerade eine leise Ahnung, dass das ganz andere Dinge sind, die mich wirklich glücklich machen.
Ich mache mich also mal auf die Suche 🙂