Kein Tag, an dem es nicht allgegegenwärtig ist. Viele Situationen, unangenehme, anstrengend und gemein und dennoch unvermeidlich. Als ihr noch ein “ihr” und ein “beide” wart (in E-Mail-Einladungen gerne mal nur den einen angemailt, wg Stiller Post) war die Welt noch in Ordnung. Das ist sie offiziell nicht mehr, seit es das “ihr” nicht mehr gibt, aber: er ist in deinen Freundeskreis eingeheiratet. Das ist wie ein Tatoo, gestochen in einem Zustand der alkoholisierten Bewusstlosigkeit, da fühlte es sich gut an, alles fühlte sich gut an, aber das war bevor der Morgen kam und ein Erwachen sondergleichen.
Das Gefühl, das man verspürt, wenn man dem Verflossenen bei harmlosen Alltagsbeschäftigungen, an als harmonisch geplanten Feierabenden und losgelösten Partys in die Augen sehen muss, ist ein Gefühl wie Salz in einer fast abgeheilten Wunde: Das brennt, mit jedem Wiedersehen, das kratzt das auf was längst vergessen war, wie sehr übt man täglich die Künste des Verdrängens, man will abschließen und doch darf man es nicht. Dagegen gibt es auch kein Hausmittel.
Das, was einen da so stört, sind die Erinnerungen. Denn Gefühle kann man vergessen, mit viel gutem Willen, genau so wie man sie sich wieder einreden kann, wenn man einsam ist und in Vergangenem hängt. Aber die Erinnerungen sind verknüpft mit Orten, die man gemeinsam besucht hat, mit Dingen die man geteilt hat, mit der Person selbst, die plötzlich eine erzwungene Distanz zu jemandem einhält, von dem sie Monate zuvor kaum ablassen konnte. Menschen können hart sein. Weil sie müssen. Es gibt keine Lösung. Und die Symptombekämpfung des Aus-dem-Weg-Gehens mit ständigem Aufeinandertreffen heilen zu wollen, ist ein Irrglaube der besonderen Art. Das funktioniert einfach nicht. Vielleicht benötigt man dazu ein männliches Gehirn, das die Dinge mit Logik abhandelt. Doch das besitze ich nicht, und habe auch kein Bedürfnis danach.
Ich spreche es einfach offen aus: Es geht so nicht. Männer dieser Erde, könnt ihr das denn nicht sehen?
Ich habe die letzte Woche mit einer Migräne verbracht, die mich in die Knie gezwungen hat. Ich habe erkannt, dass ich und andere mir zuviel zumuten und mir Stärke auferzwingen, die ich nicht besitze. Ich bin auch nur ein Mensch. Und ich bin offiziell nicht in Ordnung.
Mit diesen Zeilen spreche ich etwas aus, das mich so sehr belastet, dass ich möchte, dass es möglichst viele Menschen lesen, ein Bedürfnis, das ich wirklich seltenst habe. Ich möchte sagen: Leute, Distanz ist etwas Gutes. Sie hat einen Sinn. In jeder Hinsicht. Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, alles aufzunehmen und es zu verarbeiten. Da gibt es Grenzen.
Heute ist der erste Tag, an dem ich wieder aufatmen kann. Ich weiß noch nicht so genau, was ich mit dieser Sache mache. Wie ich sie versuche zu sehen, es wird immer das gleiche bleiben.
Da ist ein bisschen Melancholie, zum einen wegen des obig abgebildeten Nashorns, das einsam im Kölner Zoo sein Dasein fristet und in 60er-Jahre-Schwarzweiß noch an Armseligkeit zunimmt, zum anderen, weil mir etwas ganz Grundlegendes klar geworden ist:
Ich brauche einen Schnitt. Ich muss etwas ändern, um auf andere Gedanken zu kommen und dieses Kopfdrama zu beenden. Und wenn es wochenlanges Fotoschießen, Klausurenlernen, Wegfahren oder Death Cab For Cutie-Hören ist. Ich brauche einen Stable Song. Irgendein Plan muss her.