Ich finde es wirklich abscheulich, dass mich Scheitern und Krisen in meinem Leben kreativ machen. Aus diesem Abgrund in mir selber schöpfe ich gerade so viel Input, so viele Ansätze, ich nehme mehr auf als früher, ich gehe mehr in mich, ich spreche viel, das habe ich früher nicht gemacht, und es tut mir ausgesprochen gut.
Wenn ich so etwas wie eine Lebensweisheit hätte (was in meinem Alter absurd klingt, aber ich denke ich habe ein Anrecht darauf), dann sind es immer wieder Freunde und Familie die alles wett machen. Die die Dinge zum Guten wenden. Auch wenn die Dinge ganz furchtbar schlimm und zerreißend sind, und man leidet wie ein Schwein und kann nicht nach vorne schauen, da tut es einfach gut diese Menschen zu haben die einen nicht belehren, die einfach da sind, die aus anderen Leben erzählen und man erfährt Ablenkung und vergisst sich selbst ganz, und erst spät am Abend merkt man dass man selbst auch noch da ist, aber die Last sich selbst zu tragen hat sich durch die Gespräche vereinfacht, am nächsten Tag wird sie wieder genau so schwer sein, das ist klar, aber dann geht man hin und sucht genau diese Menschen auf. Und dann sind da die anderen Menschen, die den Ausgleich schaffen, die einem beim Verarbeiten helfen auf ihre Art, indem sie einem helfen zu verstehen, mit einem analysieren, die einfach die Dinge direkt ansprechen, sie beim Namen nennen, nichts verharmlosen, aber verständlich machen dass es Aussicht auf ein gutes Ende gibt, nicht, weil der Schmerz nicht greifbar und verletzend und real ist sondern weil das Leben das Wunder der Verarbeitung bereithält, dass man Dinge versucht zu begreifen, aus ihnen zu lernen, aufzustehen und sich nicht aufzugeben.
Ich will das alles nicht verharmlosen, es ist einfach Scheiße Schmerz zu erfahren, egal in welcher Hinsicht, aber es gibt die Menschen die daraus etwas mitnehmen, und dazu gehöre zum Glück auch ich, ich finde Wege zu verarbeiten, wenn der größte Schmerz verarbeitet ist gehe ich hin und schreibe und zeichne und baue in Illustrator und Photoshop. Ich denke ich könnte noch viel kreativer sein, mir fehlen manchmal einfach die Mittel, seien es räumliche oder finanzielle, aber genau das beruhigt mich sehr, weil ich quasi eine Nacht darüber schlafe und so die Idee reifen lasse anstatt sie wild und rücksichtslos umzusetzen.
So wie ich im letzten Jahr meiner Schwester eine “Audrey” gebaut habe. Audrey ist ein Nachbau aus Spanplatte und verkörpert Audrey Hepburn, verkörpert also Eleganz, und genau da war der Zusammenschluss, denn meine Schwester brauchte eine Möglichkeit um ihre Ketten, Ohrringe und Ringe zu verstauen und sie trotzdem immer schnell greifbar zu haben, am Abend kurz vor dem Weggehen oder morgens. Ich hatte die wildesten Ideen. Letztenendes habe ich Audrey gezeichnet, Stück für Stück nachvollzogen was so eine Audrey haben muss um nicht zum Kitschobjekt mit dicker Staubschicht zu verkommen, sie muss nützlich und zweckdienlich sein, ohne viel Platz einzunehmen. Ein Stückchen Wand reicht ihr. Denn Audrey könnte niemals in einer Ecke stehen. Persönlichkeit und so.
Audrey aka ihre Zeichnung auf dem Papier wurde gescannt, in Photoshop auf Druckausgabe vergrößert (auf etwa 1 Meter Länge um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, überlebensgroß), ausgedruckt auf etwa 12 DinA4-Seiten (da kann man PS echt nichts vormachen), ausgeschnitten, wurde aufgezeichnet auf dem Holz, ausgesägt im Baumarkt (die Mitarbeiter waren schon etwas erstaunt ob des ungewöhnlichen Auftrags), angemalt mit Acryllack (und das mit aufgezwungener Konzentration nach einem gnadenlosen Azubi-Tag, bis spät in die Nacht), Spielfiguren aus Holz dienten als Haken, ein Filz-“Kleidersaum” für Ohrringe, halbierte schwarz lackierte Styropor-Kugeln als Auffangschale für Diverses, eine rote Schleife um die Taille für Haarreifen. Und so entstand etwas Schönes.
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Audrey hängt auch jetzt in der neuen Wohnung meiner Schwester. Sie ist praktisch. Ich glaube ich könnte nie etwas gestalten das einfach nur gut aussieht. Nur bei meinen Fotos darf es Ausnahmen geben. Beim Webdesign ergeht es mir genauso, wie um alles in der Welt können Menschen Webseiten bauen, die nicht einem Plan (Web Standards, Accessability, Usability) folgen? Man muss sich das doch vorher mal durch den Kopf gehen lassen. Ich mag keine Flash-Seiten. Ich sehe sie gern an. Aber dann gehe ich wieder. Ich muss noch viel Lernen zu dem Thema, das interessiert mich. Gerade habe ich das Blind-PR-Blog als Feed abonniert und lese mit Überraschung und Erstaunen, wie blinde Menschen mit den neuen Medien umgehen, und das hilft mir beim Lernen, denn das ist eine besondere Herausforderung, Web auch für sie zugänglich zu machen, das gefällt mir einfach.
Meine Betreuerin im FÖJ hat mal ein Spiel mit uns gespielt. Sie malte eine geometrische Figur mit einem Rahmen auf ein Flipchart. Im nächsten Moment malte sie die gleiche Figur und den Rahmen auf ein anderes Blatt Papier. “Und nun nennt mir den Unterschied zwischen den Beiden.”
Da wurde wild herumgeraten, philosophiert, nach einem tieferen Sinn gesucht. Die Lösung war so einfach. Beim Zeichnen der ersten Figur hatte sie zwei Finger auf das Board gelegt, direkt neben die Figur. Bei der zweiten tat sie das nicht.
Ich glaube, dass genau das die Schwierigkeit in einem Gestaltungsprozess ist: alle Möglichkeiten und Probleme mit einzubeziehen und trotzdem nicht in einem Rahmen feststecken zu bleiben und nur auf das Problem oder die Sache zu starren, sondern herauszutreten und sich zu fragen: Ist da noch mehr das ich innerhalb meiner vier Wände einfach nicht gesehen habe, das aber trotzdem da ist und beachtenswert?
Und jetzt wünsche ich mir nur noch, dass ich diesem Prinzip in meiner (vielleicht noch kommenden) Karriere möglichst immer folge. In meinem Privatleben braucht es noch etwas Zeit. Ich mag es dass man sich da abwechseln kann, und, dass sich im Leben eine Tür schließt und eine andere sich öffnet, wenn ich es denn mal erkannt habe.
Die, die es interessiert, Audrey ist zur Zeit nicht in Serie geplant. Der Kostenfaktor lag bei überschaulichen 60-80 Euro, der Zeitfaktor ist nicht mehr einschätzbar. Wer Audrey nachbauen möchte – ich habe noch alle Blaupausen. Einfach melden (ct[at]sonnensegler.de).
Musik: Kings of Convenience – Misread
(zum runterkommen, und in den Kalender bis in drei Wochen nicht mehr schauen!)