Eine Woche nach der re:publica lasse nun auch ich die Dinge mal Revue passieren. Berlin war ja schon irgendwie Urlaub für mich, den ganzen Tag am MacBook sitzen, Leute treffen, feiern, gut essen und shoppen – joa, wie Urlaub.
Mein Fazit zur diesjährigen (und damit meiner ersten) re:publica: Recht ordentlich. Kann sich sehen lassen.
Aber setzen wir doch mal Tag 2 vom letzten Blogeintrag fort:
Der Donnerstag beginnt für uns um 12.30 Uhr, wo Rishab Ayer Gosh einen ausgezeichneten Vortrag über “Collaborative Creativity” hält, also hauptsächlich über das Prinzip des Open Source. Untermalen tut er seine Thesen mit wunderbar einfachen Schaubildern. Zwei Menschen, die Kartoffeln anbauen bzw. fischen tauschen ihre Ware untereinander aus. So haben Kartoffelbauer und Fischer im Endeffekt Kartoffeln und Fisch. Einfach aber klar.
Nach diesem Vortrag erinnere ich mich an ein schönes Theme, das sowohl Open Source als auch käuflich erwerbbar ist. Nun wird mir klar, warum es von Vorteil sein kann, das verbesserte Theme zu kaufen: weil der Designer dieses Themes mit dem Geld Mittel bzw sich selbst finanzieren kann um mehr Themes zu produzieren, weil er von seiner Arbeit leben kann. Ich werde darüber nachdenken ob ich das Theme tatsächlich kaufe statt das kostenlose selbst mit viel Aufwand zu verbessern.
Derweil wird die Nachricht verkündet, dass der Fehler beim W-Lan ein softwareseitiger ist und bereits mit Hochdruck an der Lösung gearbeitet wird. Zum Glück finden die meisten anderen Panels an diesem Tag in der Kalkscheune statt, wo der W-Lan-Empfang zumindest seitens meines MacBooks sehr gut ist. Sowieso hat die Kalkscheune den großen Persönlichkeits-Bonus, es ist hell, gemütlich bis familiär, die Vorträge sind direkter, da das Publikum näher sitzt.
Nach einer kurzen Mittagspause in der Espresso Ambulanz (W-Lan!!) kehren wir zu “Internet und Ethik – in was für eine digitalen Gesellschaft wollen wir leben?” zurück. Peter Glaser, ein bekannter Kolumnist aus Österreich, den ich bisher noch nicht wahrgenommen hatte, weist eindrucksvoll auf die Probleme des Wandels hin und wie man damit umgehen könnte und sollte. Der Vortrag wird parallel in Gebärdensprache übersetzt und an die Wand werden Schaubilder projeziert, die auf egoistisches Verhalten im Alltag hinweisen und somit auch auf das Verhalten in der digitalen Welt übertragbar sind.
(edit: entschuldigt bitte, Herr Glaser heißt natürlich Peter, hab’s geändert)
Von dem darauf folgenden Panel “Digitale Identität – was Facebook&Co mit französischer Philosophie verbindet” hatten wir uns mehr versprochen. Christiane Link, die den Anfang macht und über ihr Blog Behindertenparkplatz.de berichtete, redet frei und weist auf die Wichtigkeit der Barrierefreiheit sowohl im Alltag als auch im Web hin – für mich ein lehrreicher Vortrag, da ich mich schon länger gefragt habe, wie behinderte Menschen das Web wahrnehmen und ob man selbst als nicht behinderter Web-Designer irgendwie in diese Welt eintauchen kann.
Die zweite Referentin jedoch hat allen Ernstes einen Stapel Power-Point-Folien mit um die 20 Zeilen gefüllt und liest davon ab. Die Aufmerksamkeit schwindet schnell. Sowieso redet sie so anstrengend, dass man überhaupt nicht versteht was die Dame eigentlich sagen möchte.
Erfrischung bietet das folgende Panel “Aufgewachsen mit dem Netz”. Martin Riemer führt das Panel anstandslos und stellt den anwesenden “Youngstern” Timo Heuer und Christopher Koch interessante Fragen zum Umgang mit dem Netz im Alltag. Schnell wird deutlich, dass die beiden ihre Schulkameraden, die sich gerade für Youtube und StudiVZ interessieren, technisch hinter sich gelassen haben und offen für Neues im Netz interagieren. Auch das Heranführen von Web 2.0 an Kleinkinder wird thematisiert. Das Publikum ist bei der Sache und stellt gute Zwischenfragen. Eines der Panels, das mir am meisten in Erinnerung geblieben ist.
“Die Rolle des Staates in der digitalen Gesellschaft” stellt für mich wieder einen Tiefpunkt dar. Zum einen ist der Kleine Saal tatsächlich klein, viel zu klein für diesen Andrang, zum anderen komme ich in das Thema nicht hinein und langweile mich eher. Der anwesende Politiker redet alle Vorwürfe für meinen Geschmack zu schön. Was sich herauskristallisiert, ist, dass es bald einen IT-Planungsrat der Bundesregierung geben wird, der für alle Länder einheitlich über den Umgang mit den Medien diskutiert. Zudem sollen die Neuen Medien ins Grundgesetz aufgenommen werden. Ich kann mir da zum Beispiel einen Passus über barrierefreies Internet vorstellen.
Gegen 18.00 Uhr findet dann das absolute Highlight statt. Lawrence Lessig, der unter anderem Creative Commons gegründet hat, schildert in einer beispiellosen PowerPoint- Präsentation mit Sound, wie die heutige Gesellschaft auf das Internet reagiert, nämlich z.B. Mashups auf Youtube veröffentlicht oder an Wikipedia mitwirkt und so vom Konsumenten zum Produzenten wird, was die Kreativität fördert. Altes wird also aufgewertet und so am Verschwinden gehindert.
Zum Abschluss des Tages gibt es eine Twitterlesung, bei der auf dünnen Kartonkarten “offline getwittert” werden darf. Der beste Tweet gewinnt einen Pokal und eine Flasche Wodka. Ein wirklich schöner und verdammt lustiger Abend, der wieder mal zeigt, dass Twitterer nicht nur hinterm PC lustig sind und auch im wahren Leben Freunde haben.
Im Zusammenhang dazu lerne ich übrigens auch den Failwale kennen: Lustiges Video über die Funktionsweise von Twitter.
Freitag, 3.April 2009
Gegen 14.00 Uhr finden wir uns in der Kalkscheune wieder, wo Mary C. Joyce, die Leiterin des Medienteams von Präsident Obama unter dem Leittitel “The Power of Digital Us” erklärt, wie der Webauftritt zu dem Erfolg der Kampagne beigetragen hat. Schöner Vortrag, nette PP-Folien.
Das Prinzip in Kurzform (meine Notizen):
1. Facebook Site to reach users (collect participants)
2. Fundraising, collect little money from many people rather than high amounts from a few
3. MyObama.de > Site where people can create a user profile, events and join groups (like facebook)
4. People post articles and opinions
5. Website itself offers information on campaign
6. Slogan “change” – message inspires people and creates a feeling of solidarity/companionship
Das W-Lan funktioniert mittlerweile problemlos. Ich schone meinen Vodafone-UMTS-Stick.
Im darauf folgenden Panel “Wenn Frauen bloggen” soll diskutiert werden, warum Frauen anders bloggen als Männer und welche Relevanz sie in der Webwelt haben. Franziska Bluhm von Franziskript leitet das Panel sehr schön. Anwesend sind Birte Goldt vom Mädchenblog und DasNuf (im Publikum) und leider nicht Jette.
Leider landet die Diskussion schnell bei Feminismus – einem Thema, das ich sehr interessant finde, aber auf einem solchen Panel nicht hören wollte. Traue mich nicht, meine Fragen zu stellen, weil die da vorne so abdriften. Ich verliere den Faden. Find ich schade. Am Ende weiß ich garnicht so recht warum die anderen bloggen. Aber nun gut, da les ich halt lieber die Blogs.
(Während dieser Zeilen habe ich einen neuen Blogeintrag darüber geschrieben warum ich blogge. Siehe Blogeintrag.)
Mit dem Panel über “Persuasives Webdesign” endet die re:publica für uns. Sebastian Deterding ist einer, den man sich merken muss. Ich bin sofort drin im Vortrag, analysiere mit und schreibe eifrig Notizen. Fühle mich an die Uni zurückerinnert. Habe viel gelernt in seinem Vortrag. Werde das sicher auf der Arbeit noch anwenden können. Tolle Sache.
Samstag und Sonntag gibt es Berlin pur. Sightseeing, Essen, Grillen, Feiern, tolles afrikanisches Bier und tolle Leute.
Zum Abschluss geht es Sonntagabend hoch auf den Fernsehturm. Und das Warten hat sich gelohnt: Die Sonne geht über Berlin’s Straßen unter, wir entdecken unser momentanes Heim, den Reichstag, das Brandenburger Tor, es läuft Jazz und Swing in den Boxen und wir sind entspannt. Um drei Uhr nachts sind wir zurück in Bonn. Ich bin todmüde.
Ich möchte auch bei der nächsten re:publica dabei sein. Dann werde ich schon weitergekommen sein als Medienmensch, werde die Dinge anders wahrnehmen. Ich habe einiges mitgenommen von der re:publica, und tolle Mitbringsel aus Berlin. Bilder in meinem Kopf. Ich weiß jetzt wie Twittern geht und warum man immer einen UMTS-Stick dabei haben sollte 🙂
Berlin hat mir sehr gut gefallen. Ich werde wiederkommen. Zum Leben zu groß, zum zu-Besuch-sein ganz grandios. Danke Berlin, danke Mischa und Pato, danke Sebastian, danke Frühlingswetter. Ich hatte Spaß.
Fotos immer noch hier bei Flickr.
Ich fand es, auch wenn der große Saal im F-Palast schon super ist, in der Kalkscheune auch wesentlich gemütlicher. Ich denke die re:publica könnte einiges an Atmosphäre gewinnen, wenn sie wieder “nur” dort stattfinden würde.