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AND HER DANCING AND HER LAUGHING.

Verloren.December 27th, 2008

In diesem Blogeintrag geht es um das Thema “Verlust”. Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, dass Verlust immer sehr negativ behaftet ist.

Tatsächlich treffe ich immer wieder darauf. Etwas zu verlieren, das einem etwas bedeutet, ist ganz schön schwer. Der Mensch hat die Angewohnheit, sich an Dinge und Menschen zu gewöhnen. Das passiert ganz natürlich. Er umgibt sich mit Objekten oder Menschen, die zu ihm passen, mit denen es ihm gut geht, er sich wohl fühlt. Wir besuchen Freunde, sind mit unserer Familie zusammen, gehen immer wieder zu bestimmten Orten, wir haben Bilder, Muscheln, Bücher oder ähnliche Dinge mit einem besonderen Wert versehen, sie erinnern uns an einen geliebten Menschen oder an einen Moment, einen Ort, der uns so viel bedeutet hat, dass wir ab und an an ihn erinnert werden möchten, ob bewusst oder unbewusst. Manchmal besitzen wir aber auch Dinge, die einfach aus Praktikabilität einen besonderen Wert besitzen, wie der neue mp3-Player, der Schlüsselbund oder ein schöner Schal oder eine Hose. Sie haben einen persönlichen Nutzen und erleichtern unseren Alltag.

Wenn man etwas verliert, sei es aus Unachtsamkeit, dem natürlichen Lauf der Dinge oder aus bewusster Entscheidung heraus, zum Beispiel bei einer Trennung in einer Beziehung, ist es so, als habe man einen Teil von sich selbst verloren. Denn die Liebe und die Hingabe, die man in diese Sache, in diese Person “investiert” hat, wiegt so schwer und hat sie unbewusst mit uns verbunden. Sich von etwas zu trennen, bedeutet, ein Band durchzuschneiden, das einem Halt gegeben hat.

Ich habe, was das Verlieren von Dingen angeht, bisher Glück gehabt. Natürlich habe auch ich öfter mein Handy verloren und damit eine ganze Reihe wichtiger Rufnummern. Aber ein Handy ist ersetzbar und Rufnummern kann man neu sammeln. Über den Verlust eines Handys trauert man nur so lange, bis man ein neues hat und der Kontakt zu allen Freunden wiederhergestellt ist.

Ganz anders ist es da, sein Portmonnaie zu verlieren. Wenn Geld darin war oder Kreditkarten, ist der Ärger über den Verlust groß, aber viel schlimmer ist es meist, gesammelte Zettel und Fotos von wichtigen Menschen zu verlieren. In einem Portmonnaie trägt man meist einen Teil von sich herum, weil die Dinge darin gut verstaut und schnell hervorholbar sind. Alte Bilder, Gutscheine oder Bons kann man nicht ersetzen.

Der Verlust eines Menschen. Ein Thema, das wohl immer wieder zur Sprache kommen wird, überall. Beziehungen erzählen Geschichten von Angst, Leid, Mut, Freundschaft, Liebe und Geborgenheit. Die Menschheit wäre wohl ein einziges egoistisches und einsames Häufchen, gäbe es Beziehungen nicht. Man muss sie aufbauen, sich manche hart erarbeiten, man muss sie pflegen wie eine Pflanze, sonst verkümmern sie, man muss ihre guten und ihre schlechten Tage aushalten und jeden Tag von neuem für sie kämpfen. Manchmal kann man sich einfach geborgen fühlen in ihnen. Man fühlt sich verstanden, weil man einen großen Teil seines Selbst an jemand anderen gegeben hat und zusammen stärker ist, als man es vielleicht alleine wäre. Man ist mit jemandem aufgewachsen, mit ihm gewachsen mit jeder Herausforderung. Dieses Band kann manchmal alles sein, was uns am Leben hält.

Aber Beziehungen sind manchmal nicht für immer. Manchmal führen die Wege zweier Menschen in unterschiedliche Richtungen, und die Wege verzweigen sich, sodass man erkennen muss, dass sich der Weg an dieser Stelle trennt. Menschen sind so verschieden wie es Vielfalt auf der Erde gibt. Jeder Mensch hat einen unverkennbaren Charakter, manchmal einfach zu verstehen, öfters sehr schwer, mit vielen Bergen und Tälern, aber die Gegensätze sind es, die uns miteinander verbinden, weil wir von einem anderen etwas lernen können worin wir selber nicht gut sind, sei es Geduld, sei es Hoffnung, sei es der Umgang mit Ängsten oder die Art, wie man mit anderen Menschen umgeht. Jeder profitiert auf eine bestimmte Weise, und das Band wird stärker.

Doch oft verliert man sich in solchen Beziehungen selbst. Wir haben eine seltsame Art, dieses Band für selbstverständlich zu erklären, sodass wir Teile von uns selbst aufgeben in dem Denken, der anderen Part werde das schon ausgleichen. Ich glaube, dass eine Beziehung an dem Punkt zu zerbrechen beginnt, wenn man anfängt, sich selbst aufzugeben. Es ist schwer, sich selbst wertzuschätzen wie man ist, und daher umso wichtiger, sich diese Eigenheiten zu bewahren.

Der Bruch einer Beziehung bedeutet, von nun an wieder selbständig und mit wachem Blick durch die Welt zu gehen. Nichts ist nun mehr selbstverständlich. Das Erarbeiten und Kämpfen beginnt von vorne, und die Basis auf der wir leben wollen muss neu definiert werden. Was mitschwingt ist die Trauer über vergebliche Investition, die keine Früchte getragen hat. Warum nochmal von vorne beginnen, warum?

Wir vermissen die Eigenheiten des anderen, die Art, die Dinge so und nicht anders oder so wie wir selbst zu machen und zu sehen, wir vermissen Gerüche, das Gefühl von körperlicher Anwesenheit eines anderen Menschen, wir vermissen das Gefühl, nicht alleine dazustehen und unterstützt zu werden in allem was wir tun, denn Selbstbestätigung ist das Motivierendste was ein Mensch erfahren kann. Das Gefühl von jemanden geliebt, gebraucht zu werden, Dinge gemeinsam zu erleben und daraus zu lernen und in die Zukunft zu sehen.

Wir sind nicht gut darin, alleine mit uns selbst zu sein, auch wenn wir etwas anderes behaupten, um uns selbst Stärke vorzutäuschen.

Aber der Verlust von Menschen kann auch einen Neuanfang bedeuten. Denn mit dem Anfangen kommt die Neugier zurück. Nach Dingen, die uns fremd sind, nach Menschen, die wir vorher entweder nicht wahrgenommen haben oder sie uns suspekt erschienen, der Forscher in uns erwacht zum Leben. Anfangen ist dennoch ein sehr schwieriger Part. Denn warum tatsächlich noch einmal all das auf sich nehmen? Ganz einfach, weil der Mensch sich nicht weiterentwickeln kann in der ewigen Gleichheit. Und jeder Mensch hat den inneren Wunsch, sich weiterzuentwickeln, und zwar für sich alleine, ohne Hilfe eines anderen. Normalität bedeutet Verweilen in der Bequemlichkeit. Ausbrechen und Dinge hinter sich zu lassen bedeutet Abenteuer und die Möglichkeit, sich selbst von einer anderen Seite kennenzulernen.

Wenn man unerwartet einen Menschen durch den Tod verliert, dann ist das die härteste Prüfung die eine Beziehung auszuhalten hat. Denn die Trennung geschieht weder aus Ungeschicklichkeit noch durch Differenzen noch durch eigene Entscheidung. Diese Machtlosigkeit kann einen schon zur Verzweiflung bringen. Mir ist der Tod von Menschen (und Tieren auch!) immer sehr sinnlos vorgekommen. Doch erst im Nachhinein habe ich erkannt, dass dieses Band nicht zerrissen ist. Es exisiert nur noch eine Seite, die investiert, indem sie sich erinnert an die Höhen und Tiefen der Beziehung zu dem Menschen, ebenfalls daraus lernt. Die Trauer wird niemals vergehen, aber wir lernen mit ihr zu leben. Denn Dinge die wir nicht beeinflussen können müssen wir akzeptieren, ob wir wollen oder nicht.

Wir sind nicht gut darin, das Leben alleine anzugehen. All diese unterschiedlichen Beziehungen lassen uns wachsen, und erst durch den Verlust wird uns die Bedeutung dieser bewusst. Nur wer schon einmal etwas verloren hat und es vermisst, weiß den Wert von Dingen und Menschen zu schätzen, und ich glaube dass nur diese Menschen wirklich leben.

Diese Zeilen sind meinem Opa gewidmet, der starb als ich dreizehn Jahre alt war, und der in meinem Kopf weiterlebt und mir stets zur Seite steht, und einem guten Freund, dem ich sagen möchte: Du bist nicht alleine, ich fühle mit dir.

imagepostDecember 27th, 2008 imagetime22:18

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