Ja, ich bin darüber hinweg. Das unschöne Gefühl bleibt, aber dieses andere, bohrende und mich auffressende Gefühl hätte ich nicht länger ertragen können. Nach vorne schauen muss ich. Nachtragend? Nicht meine Art. Ein bisschen wütend vielleicht, wütend auf ihn, das darf ich auch sein, gleichzeitig verstehe ich es besser als jemand sonst – ;Wütend auch darüber, dass mein ausgeprägtes Selbstbewusstsein nach meiner Gesundung und mein universales, themenübergreifendes Verständnis schon so ziemlich viele Menschen aus meinem Leben vertrieben hat. Zumindest glaube ich das. Die Tiefen der menschlichen Seele sind selbst für mich manchmal unergründlich.
Vielleicht ist dieses Gefühl aber auch nur eine tiefempfundene Trauer über das Wissen, jemanden verloren zu haben, der der Richtige hätte sein können. Ich bin einfach mal vermessen genug das zu glauben. Weil ich genug Drama hatte in meinem Leben, mich diese Erlebnisse verfolgen bis in das Heute und mich vermutlich noch öfter in die Knie zwingen werden – so etwas kann man nicht “verarbeiten” – und ich abschließen wollte mit dem Alten und hoffen auf ein Neues, Schönes, ich weiß dass das geht, man kann das haben, wenn man daran glaubt. Aber daran glauben, da fängt es schon an.
Andere heimliche Verfolger sind die Flugzeuge. Bei meinem Vater ständiger Pendelverkehr in den Wolken, der die Sehnsucht in die Gedanken schleust (auch wenn man es nicht will), dann bei ihm vom Balkon in die tiefe schwarze stille Nacht (eine gute Stille wie ich sie lange nicht mehr erlebt habe) und schließlich an meinem neuen Arbeitsplatz, man kann sie erkennen, die Logos der Fluggesellschaften, Sehnsucht auf der Arbeit inspiriert, auch das glaube ich. Wenn ich das hier schreibe könnte ich weinen, jetzt sofort. Nicht wegen ihm oder dem Aufgebenwollen, nein, sondern wegen dem endlich-anfangen-wollen.
Durch diesen Dschungel begleiten mich seit Tagen The Hampdens, wie berichtet. Dieses Album macht etwas mit mir. Es gibt mir so etwas wie Hoffnung, belebt mich innerlich, die Texte sind so unfassbar treffend, für diese Generation, für die Zustände in denen ich war und bin, diese Band kennt mich nicht und beschreibt mich. Wow. Ich höre auf Repeat im Dauerzustand, manchmal mag ich Dauerzustände, vorausgesetzt, sie beinhalten etwas Schönes. Diese Musik ist verdammt schön. Ich singe sie unter der Dusche und vorm Schlafengehen und still oder ergreifend in meinem Kopf wenn ich in der S-Bahn sitze (wo die Leute denken würden man habe den Verstand verloren, täte man es laut). Dazwischen höre ich Tycho, zum runterkommen, ich spüre wie der Stress mich unbewusst fertig macht.
Wenn Susannah singt, “Tell me your name, not where you’re from, Miami’s a dream, up on a wall”, dann fühle ich eine wunderbare Ruhe in mir, weil mir die Hoffnungslosigkeit Hoffnung macht (so kontrovers war ich ja schon immer). Aber erst mal schwelge ich noch ein bisschen in diesem dem Glück nachklingenden akzeptablen Gefühl der Wut und der Trauer, bleibe im Versteck, das kann ich gut.
Und heute trage ich meinen neuen schönsten Rock. Noch immer erstaunt mich, wie einfach die Dinge plötzlich sind. Der Kopf ist Meister im Anpassen, faszinierend. Eben kam endlich die Sonne wieder raus, ich saß im Garten und las Miranda July und dachte an’s Bloggen, weil mit Worten umgehen, das kann ich ebenfalls gut.
Am besten gefällt mir, wenn Susannah singt,
“There’s lead in the water, paranoia is my favourite word.
I’m a social X-ray. I define my generation.
I’m jaded, but I took all the things you said just to please you, but I lost all track of time.– At the last party, you’re going off your head once again, no one hears you say.
A thousand blank voices, but no one hears you sigh, once again.
What are you gonna do when the party ends?”
Ich geh jetzt Inlineskaten. Wenn man den kleinen Berg über den Bahngleisen im weiten Feld runterrollt, immer schneller werdend wie ein ICE, mit Musik im Ohr, die weiten Felder im Wind wehend sieht und die Sonne heiß auf die Oberarme brennt, dann erzeugt der Geschwindigkeitsrausch ein Gefühl, das ich nur als vollkommenes Glück kenne. Und das brauche ich jetzt.
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