Ich hatte ja mit allem gerechnet, mit entsetzten ICQ-Nachrichten, ausgedrücktem Unverständnis per sms, diversen telefonischen Bemerkungen von Freunden. Zumindest hatte ich mit einer Reaktion gerechnet, als ich vor ein paar Tagen meinen StudiVZ-Account löschte. Im selben, automatischen Zug löschte ich dazu sämtliche Suscriptions von nervigen Newslettern, die ich eh nie lese.
Aber wie es scheint, kommuniziert die Welt nur noch über StudiVZ’s Pinnwände, und so würde es mich nicht wundern, wenn die von mir erwartete Reaktion hinter verschlossenen Türen stattfindet:
Q Pinnwand A: “Hey, sag mal, ich kann das Profil von Chrisi nicht mehr finden, ist da wieder n Hack im StudiVZ oder was?”
A Pinnwand B: “Du keine Ahnung, versuchs doch später nochmal, vielleicht n technischer Defekt??”
Q Pinnwand A am Folgetag: “Nee, also hab’s jetzt nochmal probiert. Hab dann mal geguckt ob sie online war, war aber nicht.”
A Pinnwand B: “Hab die … in der Stadt getroffen und die meinte, Chrisi hätte ihren Account gelöscht.”
Q Pinnwand A: “??? Wieso das denn?”
A Pinnwand B: “Weiß nich so genau, glaube die hatte n Problem mit dem mangelnden Datenschutz, den vielen Sachen die da gelaufen sind.”
Ich hatte jetzt auch tatsächlich erwartet, dass mir drei Tage später was fehlt, also ich meine so im Sinn von: ‘Mhm, mir ist langweilig, jetzt hab ich mich abgemeldet und kann garnich mehr die neuen Fotos von … angucken oder spionieren, ob …. nen neuen Freund hat.’
Mhm nö. Fehlt nix. Völlige Unneugier. Nich mal n bisschen Lust auf Community. Weniger ist eben manchmal unglaublich viel mehr.
Edit: Lukas unter Coffee and TV hat mal schön alle Gründe zusammengefasst, warum StudiVZ sich nicht lohnt. Kurz gesagt: Ich habe Small Talk schon immer gehasst, und ja, zu einigen Leuten aus meiner Vergangenheit möchte ich einfach keinen Kontakt haben, schon garkeinen “erzwungenen”. Wer mich erreichen will, tut das auch. Letztendendes war der Grund, mich abzumelden aber eher der, dass ich dort nichts mehr zu tun hatte. Manche Dinge langweilen mich eben schnell. StudiVZ hat mich schon ab Tag drei gelangweilt.
Ob ich deswegen meinen Flickr-Account löschen soll, weiß ich noch net. Fakt ist, dass ich clever genug war, mir einen Ami-Account zuzulegen. Trotzdem begrüßte man mich neulich bei Flickr mit dem Hinweis “Ihre Fotos wurden als ‘safe’ klassifiziert.”. Hätte mich auch gewundert wenn nicht. Zur Zeit sieht man nämlich wegen dem noch nicht erneuerten Pro-Account nur einige fünfzig Bildchen, von insgesamt an die 15 Sets.
Es ist nicht so als hätte ich die 20 Euro für den Pro-Account nicht über. Aber es geht mir einfach gegen den Strich, mein Leben lang jedes Jahr 20 Euro an Flickr aka Yahoo zu bezahlen, damit andere Menschen meine Fotos sehen können. Das sind hochgerechnet 140 Euro bis zu meinem 30. Lebensjahr. Wie war das noch, Web 2.0? Die vergaßen, den Faktor Geld zu erwähnen.
“We are sorry to inform you that you’ve been banned from the world wide community of web 2.0. If you want to carry on your participance, please pay your account fee instantly.”
Als ich vor einigen Jahren dieses fiese Beifang-Foto sah und beschloss, keinen Tunfisch mehr zu kaufen geschweige denn zu essen, habe ich aufgehört Tunfisch zu kaufen und zu essen.
Wenn ich also jetzt sage, ich möchte mich von allem möglichen meine-Freiheit-einschränkenden Krams lossagen, heißt die logische Konsequenz: Weg mit StudiVZ, Flickr und sonstigen reglementierten Communities, nur noch im Bioladen einkaufen, auf Öko-Strom umsatteln, nicht mehr Fliegen und in den ASTA eintreten, damit meine Uni mich nicht fremdbestimmt. Dann wäre ich völlig frei.
Naja fast. Blieben nur noch die Hausregeln im Mietshaus, vom Vermieter vorgegeben, allgemeine Nettiquette, sämtliche undurchschaubaren Rechnungen…
Ich finde, Fremdbestimmung hat etwas mit Verhältnismäßigkeit zu tun. Wie bei einem Dienstleistungsunternehmen sollte man für seine Teilnahme und Beiträge, die Angabe seiner Daten etwas geboten bekommen. Wenn mir aber die Fotocommunity plötzlich vorschreibt, das das Bild aus dem Sommerurlaub mit Bikini “unsafe” ist, ich aber trotzdem weiterhin den gleichen Beitrag zahlen soll, stimmt etwas mit dieser Verhältnismäßigkeit nicht. Die nehmen mir was weg und bieten mir keine Alternative. Das find ich doof. Was bleibt? Meckern und trotzdem zahlen oder gehen.
In den letzten Wochen habe ich einiges über Konsequenz gelernt. Konsequenz beinhaltet Glaubwürdigkeit. Wer zu seinem Wort steht, der hat bei anderen was weg. Trotzdem finde ich es schwierig, diese Konsequenz in allen Lebensbereichen beizubehalten, und zwar ab dem Punkt, wo es einfach keine guten Alternativen mehr gibt. Ich spreche von Dingen, die einem das Leben wirklich erleichtern.
Klar kann ich aufhören im Billigmarkt Saft zu kaufen und nur noch Fair Trade O-Saft kaufen – vertrage aber gar keinen O-Saft. Alternativen im Bereich Fair Trade Fehlanzeige. Überhaupt kann ich nur noch im Bioladen einkaufen – aber dann bin ich pleite. Hier ist das Verhältnis Studenteneinkommen-Lebensmittel-Fairer Handel nicht ausgeglichen. Ich möchte dass alle meine Freunde meine Fotos sehen – lad ich sie eben auf meinen Server hoch. Sieht aber nicht halb so toll aus wie bei Flickr. Ich möchte gegen den Klimawandel angehen und Treibhausgase beim Fliegen vermeiden? Alles kein Problem, nur wie besuch ich dann meine Heimatstadt, wenn ich das Zuggeld nicht bezahlen kann, wie komme ich in den Urlaub ohne endlose Schiffsreise? Ethisch und politisch und rechtlich korrekt fordert sein Tribut.
Wenn ich konsequent auf Dinge, die mir gegen den Strich gehen verzichten möchte, brauche ich Alternativen. Und zwar welche, die im richtigen Preis-Leistungsverhältnis stehen, und das für alle Schichten der Gesellschaft. Und hier beginnt das Problem, denn genau das Fehlen dieses Verhältnisses nennt man Globalisierung. Zur Zeit bleibt einem nicht viel übrig, als halb-konsequent zu sein, sich die Mühe zu machen nach Alternativen zu suchen oder zu warten, bis es den Markt dafür gibt. Oder vielleicht sogar selber den Erfindergeist walten lassen.
Übrigens bin ich für Öko-Strom – allerdings habe ich keine Ahnung, wie laut so ein Windrad neben einem Dorf tatsächlich surrt und einen um den Schlaf bringt. Oder wie die Fische den Windpark in der Ostsee finden. Das nennt man dann Öko um jeden Preis…
Wieder mal ein Thema, das einen beschäftigen könnte. Tut es auch. Was ich tun werde? Den Flickr-Account als Basic laufen lassen und bei Gelegenheit eine Alternative suchen. Trotzdem weiterhin Aldi-Fleisch kaufen, dafür aber allen Fertigfraß weglassen. Seltener zu Burger King gehen, wenn’s geht. Vielleicht den Bahn-Newsletter abonnieren (ja, so tief sind wir gesunken), um rechtzeitig von den Sparpreisen für Bahn-Tickets zu erfahren. Bei meinem Statement, den Führerschein erst zu machen wenn ich mir ein Hybrid-Auto leisten kann, bleiben (vorausgesetzt das Ding wurde nicht in einem Billigland produziert). Ich mag, wenn mir der warme Sommerwind beim Durchs-Feld-Fahren ins Gesicht weht 🙂
Achja, eine Rückmeldung in Sachen StudiVZ gab es dann doch: Meine beste Freundin kann mir jetzt nicht mehr ihre ganzen Freunde und Partybilder zeigen. Stattdessen schicken wir uns die über den Instant Messenger oder per Mail. Ging früher so, geht heute auch wieder so. Ich brauche kein StudiVZ um ein Studentenleben zu haben. Back to Basics, denn: früher war ja alles besser. Naja, nicht alles, aber das schon.