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AND HER DANCING AND HER LAUGHING.

WeiterJune 10th, 2007

Wir hatten die Sterne beobachtet, mitten im freien Feld liegend. Du sagtest, du hättest keine Ahnung von den Sternen und dunkler Materie. Aber dass sie dich faszinieren würden. Dabei verzogen sich deine Lippen zu einem leisen Lächeln, so eins, das man hat, wenn man ahnt, dass hinter der Fassade des Sichtbaren noch mehr wartet, Schöneres, Unglaublicheres. Wir hatten ganze Wochen im Park verbracht, zwei Nächte im Theater, hatten von lesenswerten Büchern, absurden Filmen und deiner CD-Sammlung gesprochen, die nicht sehr umfassend war und die zu einem Großteil aus Dire Straits-Platten bestand. Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, dass ich noch niemals einen Mann getroffen hatte der die Dire Straits nicht für Landmusik abgestempelt hatte. Vermutlich waren die Übrigen einfach nicht die richtigen gewesen, sagte ich mir.

Wir besorgten uns Stadtpläne im Tourismuszentrum und erkundeten wie Detektive alle Ecken und Kanten und Winkel die wir fanden. Wenn wir es schön fanden, blieben wir eine Weile. Und ich hatte geglaubt, meine Stadt zu kennen, doch nun muss ich eingestehen, dass ich ein unwissendes naives Kind war. Wir fanden Orte an denen es sich zu bleiben lohnt, sehr. Die Sonne folgte uns manchmal hinter Hauswände mit alten Plakaten und abgebröckelter Fassade, auf riesige Parkplätze mit heißem Teerboden, in versteckte Gassen und an den Fluss; später folgten uns die Schatten in die Dunkelheit, langgezogen kurz vorm Untergang der Sonne, kurz und befremdlich einige Stunden darauf, flackernd im Licht der Kerze auf dem Cafétisch zwischen Weißweingläsern. Ich hätte denken können dass ich soviel Glück nicht verdient habe. Tatsächlich aber vergaß ich die Zeit und das Denken, denn mit ihm war alles irgendwie neu, auch wenn es alt war, mit ihm erschienen die Dinge die ich kannte und an denen ich achtlos vorübergegangen war in neuem Glanz. Er fand Worte wie keiner, er sah und beschrieb, er fühlte sich in die Umgebung ein, und manchmal riss er einen Witz und brach die Stille. Doch es war gut.

Irgendwann sprachen wir von weit weg, von anderen Winkeln und Ecken in anderen Städten, von anderen, melodisch klingenden Sprachen mit vielen Begriffen die wir nie verstehen würden, von Menschen mit Charakteren, die unseren keinesfalls glichen, und auch dieses war gut. Wir verglichen Preise und Züge und Routen und Strecken, malten Wegmarkierungen mit blauem Filzstift auf auseinandergefaltete Karten. Du sagtest, wir würden unbedingt die Sagrada Familia besuchen müssen, die Küste hinunter, vielleicht Marokko?

Als der Zug einfuhr, der dem Glück den Trumpf aufsetzen sollte, eine Reise, die dich und mich völlig verwandeln und ein Wundern in unsere niemals gesättigten Blicke zaubern würde, sah ich dich in der Entfernung auf der Bank sitzen und grübeln. Die Schatten waren lang geworden in der Bahnhofshalle, aber den erdbeerfarbenen Himmel wollte ich nun nicht mehr sehen. In diesem Moment hatte ich erkannt, dass ich dich alleine ziehen lassen musste. Ich zweifelte unserer Bestimmung nicht an, nein, aber dein, nein unser Leben lang würdest du dich an das Land gewöhnen und innerlich nach der Küste zehren, den wilden Fluten der Ozeane, den seltsam erscheinenden Menschen anderer Länder, würdest dich niederlassen und in den innersten Adern würden die Bäume rauschen auf Weinplantagen in Neuseeland, mit einem Panoramablick sondergleichen, du würdest denken an noch nie zuvor geschossene Bildmotive, Kaffeesorten, betörende Düfte auf Gewürzmärkten, die einem Farbkasten glichen, verlassenen Vorstadtgebieten und heimeligen Dörfchen mit naturgegebener Kulisse, endlosen gepflasterten Straßen auf dem Weg ins Nirgendwo, das für dich ein Irgendwo sein würde, weil du es verstandst, aus den Dingen etwas zu machen und ihnen ihren verborgenen Zauber zu entlocken.

Ich konnte mir nicht sicher sein, ob ich dich noch kennen würde, wenn du eines Tages vor mir ständest, mit einem kratzigen aber sexy aussehenden Dreitagebart, du, der die Menschen und ihre innersten Werte, Gefühle und Träume erfahren hattest, Orte voller Wunder und Schönheit gesehen und in dich aufgesogen hattest und mit einem leisen Lächeln weitergezogen warst. Du würdest dort stehen als Jemand, der weiß, was das Leben bedeutet und welche Vielfalt es uns geschenkt hat. Ich würde dir Karten von den Dolomiten und der Ostsee geschrieben haben, aus dem Ferienbungalow mit der schrulligen aber hinter ihrer Fassade unheimlich freundlichen Rezeptionsdame Mitte sechzig, mit einem Sonnenbrand auf den Schultern der schon zu Pellen anfinge. Aber ich würde wissen dass es genug Welt war für mich. Ich würde dich eine Weile ansehen und mir wünschen, dass du zwischen all den Farben, Formen, Düften und Klängen auch dieses erkannt hattest: Dass ich genug für dich war.

imagepostJune 10th, 2007 imagetime20:03

2 Kommentare

  1. j0nes:

    schön!

  2. Nina:

    ja, da kann ich mich nur anschließen!

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