Sonnensegler.de

AND HER DANCING AND HER LAUGHING.

Die Seele der Worte.March 18th, 2007

Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum man schreibt. Als ich mir einmal Gedanken dazu gemacht habe, vor langer Zeit, wurde mir bewusst, dass der Hauptbeweggrund, etwas zu Schreiben der ist, dass man etwas zu erzählen hat. Ein Schriftsteller hat dabei keineswegs im Hinterkopf, für wen oder an wen er schreibt, hat keinen Leser vor Augen. Vordergründig schreibt er für sich selbst. Erst, wenn der Text oder die Geschichte zu Ende geschrieben ist, sieht er, ob sie auch für das Auge anderer taugt. Oftmals ist das Innere der Geschichte so mit seinem inneren Selbst verwoben, dass jeder fremde Leser vermutlich verwirrt den Kopf schütteln würde, weil ihm die Zusammenhänge sinnlos vorkommen.

Seit gut einem Jahr habe ich nichts mehr geschrieben. Dabei spreche ich von den guten Texten. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich auch, so sonderbar das zusammenpasst, mit diesem Weblog begonnen. Die ersten Einträge stammen bereits vom Frühjahr 2005, aber richtig ernst genommen habe ich es erst einige Zeit später.

Wenn ich mich an den Grund erinnere, warum ich geschrieben habe, muss ich differenzieren: Zwischen den Texten die ich des Schreibens wegen geschrieben habe, die impulsiven, aus einem Moment oder der Laune heraus poetisierten Alltagsbeschreibungen, die mich rastlos zum nächsten Stück Papier trieben, um ihre Gedanken darauf festzuhalten, mich im Bus oder beim Spazierengehen überfielen und notiert werden wollten, und den Übrigen. Die Übrigen, so wird mir langsam klar, wurden allein aus der Qual des Loswerdenwollens geschrieben. Die Impulsiven ließen sich noch abändern, doch sie waren immer gut, und dann ließ ich von ihnen ab. Die Übrigen dagegen trieben noch Wochen in meinem Kopf ihr Unwesen. In den Übrigen ging es um mich.

In den Übrigen warf ich all die Lasten von mir ab, die mich innerlich quälten, in der Hoffnung, dass das Papier, auf dem sie nun ruhten, diese Last von mir nehmen und stumm ertragen würde. Was nicht im Kopf ist, verwirrt nicht. Doch der Unterschied zu den Impulsiven war der: Ihnen fehlte die Magie. Sie waren so realitätsnah, dass sie sich wie ein Auszug aus einem Tagebuch lasen oder eine Glosse in der Zeitung, über die man hinwegsieht, sie schließlich überfliegt, den Sinn versteht und aufgrund ihrer Verfremdung vergisst.

Wenn ich einmal einen berühmten Schriftsteller etwas fragen könnte, würde ich wissen wollen, wie man in der Realität nicht verlernt, die Magie zu erkennen und in Worte zu fassen. Auch wenn ich diese Fähigkeit immer noch in mir trage, so ist sie nicht mehr in Verwendung. Ich habe einmal für mich erkannt, dass ein guter Schriftsteller jemand ist, der mit den Worten spielt und sie verzaubert. Noch immer sehe ich die Dinge sicher anders als andere, noch immer nehme ich den Zauber des Augenblicks wahr, aber immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich darauf warte, dass noch etwas geschieht. Und wenn es das nicht tut, vergesse ich alles sehr schnell.

Manchmal vermute ich, dass ich damals so gut geschrieben habe, weil all das vor mir lag was sein könnte. Aber wenn die plötzlich eintretende Realität die Magie entzieht – was bedeutet dann das Schreiben?

Bis heute ärgert es mich, dass ich nicht in der Lage bin, einen guten Roman zu verfassen. Es war immer die Wahrnehmung eines Momentes bei mir, die Kurzgeschichte. Es gelingt mir einfach nicht, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten über hunderte Seiten lang. Überhaupt gelang es mir nie, zu Schreiben, wenn ich mich hinsetzte um zu Schreiben. Auch wenn ich viele meiner kurzen Texte sehr mag, so sehe ich, dass die Momente, die mich zum Aufschreiben dieser bewogen haben, seit mehr als einem Jahr nicht mehr aufgetaucht sind. Zuletzt sagte ich noch zu einem guten Freund, der das selbe Problem hat, dass uns vielleicht die Realität eingeholt hat. Aber ich will einfach nicht glauben, dass wir uns kampflos damit zufrieden geben müssen. Ich will einfach nicht akzeptieren, dass die Phantasie in der Realität – nicht in jeder, aber in meiner- keinen Platz hat. Über ein Jahr habe ich nun gewartet, dass diese Momente zurückkehren. Aber sie tun es nicht.

Vor zwei Wochen habe ich mir in der Bücherei einen Stapel ungelesener Romane ausgeliehen – Coelho, Ian McEwan, Marquez, Sparks, Charles Dickens und andere. Andere betrachten den Versuch, all diese Bücher in der kurzen Zeit von vier Wochen zu lesen als verrückten Marathon der Unmöglichkeiten. Für mich dagegen ist dies der angenehmste Zeitvertreib den ich kenne. Mehr noch, ist es nach so langer Zeit voller nur wissenschaftlicher Fakten ein schwacher Versuch, in die Welt der Magie, in die Welt der Worte zurückzukehren und hoffentlich etwas daraus mitzunehmen, das mir meine Momente zurückbringt, die ich schmerzlich vermisse. Wenn ich sehe, nein, wenn ich lese, wie wunderbar die Zeilen sich aneinanderfügen und eine Geschichte entsteht, deren Hergang man so nicht erwartet hatte, dann ist das wie Geburtstag und Frühling und Sommerbeginn und blauer Himmel und sternklare Nacht an einem Tag, eine Aneinanderreihung von Glücksmomenten.

Bei all dem Wundern, Fragen und Verzweifeln bleibt stets die Frage: Wo ist die Magie nur hin?

Wenn sie sich in etwas anderes verwandelt hat, dann kann ich sie dennoch nicht finden. Wenn es nur die momentane, harte Realität ist, wird sie wohl wiederkehren. Mir reicht es nicht, ein Weblog zu schreiben; das könnte ich sofort beenden ohne Trauer. Vielleicht ist das Weblog aber auch eine Möglichkeit, die Zeit bis zur Rückkehr der Momente zu überbrücken. Schließlich ist online schreiben auch eine Form des Schreibens, eben eine andere.

Ich habe ein wenig Angst, dass sich die Beiden nicht verbinden lassen, so wie ich das möchte. Ich sehe Menschen, Freunde, die noch schreiben, die sich aber weit von der Realität entfernt haben. Aber ich kann nicht so sein, ich verachte die Realität sehr oft, aber ich werde nirgendwo hinkommen wenn ich sie am Wegrand stehenlasse. Das ist ja die Kunst, beides zu verbinden.

Manchmal träume ich, dass die Magie zurückkehrt auf einem sonnendurchfluteten, eisblauen Gletscher in der Arktis, einem gewaltigen Felsmassiv im Grand Canyon, in einem Kanu zwischen reißenden Wellen oder in einem Wald unter kilometerhohen Fichten. Dass sie zurückkehrt in dem, was sein könnte. Die Magie ist mir vielleicht nur vorausgeeilt und wartet, dass ich komme. Und keine Sorge, ich komme.

imagepostMarch 18th, 2007 imagetime19:55

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.