Seit es mir ein bestimmter Grund ermöglicht, dass mein Kopf in der Lage ist die Gedanken zu ordnen, wird ein völlig neuer Mensch aus mir. Es ist so schwer es zu erklären, vor allem Fremden, aber im Prinzip ist es ganz einfach, weil die Veränderungen so schleichend eintreten und mich jeden Tag von Neuem überraschen ohne mich zu überfordern. Mein Charakter dreht sich gerade um 180 Grad, und das hätte ich nie für möglich gehalten. Es kommt mir bescheuert vor es jemandem zu beschreiben der mich nicht kennt, nicht vorher kannte. Menschen in meinem Umfeld fällt es jedoch schon auf. Diese positive Entwicklung treibt mich an, treibt mein Leben an und meine Pläne ohne dass ich mich damit auseinandersetze. Bisher dachte ich, das ist meine Natur: mich mit allem und jedem auseinanderzusetzen. Doch jetzt, plötzlich, erscheint mir das Leben so viel einfacher, nicht weniger anstrengend, aber die Entscheidungsfähigkeit ist zurückgekehrt und ich grüble nicht mehr nach. Das viele Grübeln ist das was mich bisher ausgemacht hat, meinen Charakter. Womöglich muss ich dieses Bild in ein paar Monaten neu definieren. Wer mich kennt wird es merken, ganz sicher. Ich merke es, und es beeindruckt mich.
Bevor alles losging hatte ich noch die Angst, mich selbst zu verlieren, aber mittlerweile merke ich, dass sich die Gedankenflut in meinem Kopf nicht gelegt hat, sie ist nach wie vor da, lässt sich inspirieren, anstecken von allem was mich umgibt, nur ist sie diesmal geordnet, in Kategorien angelegt, ich kann sie sortieren und abrufen und vergesse nichts mehr. Es kann sich kaum jemand so darüber freuen nichts mehr zu vergessen wie ich. Ganz ehrlich.
Ich habe alte Ideen wieder aufgenommen. Meine Buchliste hervorgeholt und will sie abarbeiten. Werde mich für den Finnisch-Sprachkurs anmelden, weil das sehr wichtig ist. Will wieder Squash spielen oder Klettern oder etwas anderes, bin viel unterwegs, und diesmal ohne dieses schlechte Gefühl. Das ist irgendwann verschwunden und ich hab’s nicht bemerkt. Gerade kommt der Winter und ich fühle mich toll. Fühle, dass ich passe, hierhin, und nirgendwo sonst. Das ist wie bei meinen Amazon-maybe-Fehlkäufen: meine Intuition hat mir den richtigen Tipp gegeben. Ich brauche vielleicht mehr Zeit als andere, um die Dinge zu entdecken und richtig wahrzunehmen, aber dieses innere Wissen, dass man man selbst ist in diesen Momenten, und dann Monate später die Entdeckung, dass man Recht hatte, dass alles genau so ist wie man es erahnt hatte, das ist das beste Gefühl das ich je erlebt habe. Wenn man immer nur vermuten konnte wer man ist, dann ist das wie ein Geschenk wenn man feststellt, das man zu jeder Zeit das Richtige getan hat. Ich fühle dass das, was ich jetzt von meinen Listen abarbeite längst nicht alles ist und dass da noch viel mehr Schönes kommt.
Vielleicht oder ganz sicher klingen diese Worte für Außenstehende verwirrend und sonderbar. Dieses Mal sind also die im Vorteil, die mich kennen, die wissen wie ich war. Macht euch darauf gefasst, dass ihr mich noch nicht wirklich kennt. Ich habe mich ja selbst nie gekannt. Aber jetzt beginnt mein richtiges Leben, glaube ich.
Am Montagabend lief mir im Dunkeln ein Igel fast vor’s Fahrrad. Ich bremste ab und er rollte sich unter dem Auto direkt zur Kugel. Wegen der Hauptstraße auf die er es wohl abgesehen hatte und der aufgekommenen Kälte haben meine Freundin und ich direkt gegoogelt, doch wie es scheint ist es noch zu früh um sich Sorgen zu machen. Der kleine Kerl sah munter und wach und gut genährt aus. Und eine Igelleiche konnten wir beide bei Kontrollfahrten an der Straße auch nicht finden. So einen kleinen Igel durch den Winter zu bringen wäre echt was Schönes, aber andererseits wird mir bei solchen Dingen immer bewusst, wie schnell ich Mitleid bekomme. Da kommt der Biologe bei mir durch. Helfer-Syndrom *gg* Wie damals, als ich die Doku über gefährdete braune Pandas sah, und die Aufzucht-Station in Indien, die jede Hilfe gebrauchen kann. Ich wäre am liebsten direkt in den Flieger, runter nach Indien. Scheint, als müsse ich noch viel lernen was das angeht. Der Igel weiß besser was für ihn gut ist als ich. Trotzdem denke ich, dass diese Eigenschaft auch etwas Gutes hat: flexibel zu sein und da zu helfen wo Hilfe gebraucht wird. Und nicht erst tagelang abzuwarten. Nein, ich geb’s zu, warten war noch nie meine Stärke 😉
Und damit einen lieben Gute-Nacht-Gruß an die Pandas in Darjeeling 🙂 (keine Sorge, euch komm ich mit 200%iger Sicherheit auch noch besuchen)
Heyho Schwesterchen,
Das nenn ich mal Zufall – gestern abend ist mir fast ein Igel bei mir zu Hause vor der Haustür vor’s Auto gelaufen und ich hab direkt überlegt, was ich tun muss, damit das putzige kleine Ding auch die nächsten Weihnachten noch erlebt. Aber nach einigem Überlegen hab ich mir gedacht: Der wird schon zurück in’s Grünzeug huschen. Hat er dann später auch getan.
Liebe Grüße aus einem feuchten Bonn,
Seb